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Projekt 12023




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Distributionelle Methoden in Einsteins Gravitationstheorie

Das Forschungsgebiet des interdisziplinären Projekts "Distributionelle Methoden in Einsteins Gravitationstheorie" ist thematisch an der Schnittstelle von Mathematik und Physik angesiedelt: Es bringt einen Fragenkomplex der Allgemeinen Relativitätstheorie mit einem jungen mathematischen Teilgebiet in Verbindung und konnte somit wichtige Synergieeffekte erzielen.

Die Allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins beschreibt die Physik von Raum, Zeit und Gravitation. Unter anderem sagt sie Gravitationswellen voraus, deren konkreter Nachweis derzeit eines der großen Projekte der experimentellen Physik darstellt. Das vorliegende Projekt befasste sich zunächst mit dem theoretischen Studium besonderer Formen von Gravitationsschockwellen, die anschaulich gesprochen das Vorbeirauschen eines Strahlungsimpulses beschreiben, der kurzzeitig die vorhandene Raumzeit-Geometrie stört.

Bei dem mathematischen Gebiet - der Theorie der nichtlinearen verallgemeinerten Funktionen - handelt es sich um eine neue Methode, das Verhalten und die Entwicklung von sogenannten Singularitäten, also zum Beispiel von Stoßwellen oder sehr kurzen Impulsen auch in nichtlinearen Situationen vorherzusagen; das heißt in Situationen, bei denen Ursache und Wirkung nicht proportional zueinander sind. Diese nichtlinearen Probleme sind nicht etwa die Ausnahme, es gibt sie in Wirklichkeit wie Sand am Meer, sie haben nur den Nachteil, dass sie um ein Vielfaches schwieriger zu behandeln sind als die sogenannten linearen Probleme.

Nun ist die Allgemeine Relativitätstheorie eine genuin nichtlineare Theorie und die mathematische Behandlung ihrer singulären Lösungen, die in vielerlei Hinsicht die interessantesten Phänomene - etwa schwarze Löcher - beschreiben, ist eine sehr schwierige Aufgabe. Im Rahmen des Projekts gelang nun mit der sogenannten distributionellen Beschreibung von Gravitationsschockwellen ein erster Brückenschlag zwischen beiden Gebieten.

Die Anforderungen, die dieser Einsatz in der Relativitätstheorie stellte, löste andererseits weitreichende Rückwirkungen auf die mathematische Methode selbst aus. Eines der wichtigsten Prinzipien der Relativitätstheorie ist ihre Koordinateninvarianz: alle Naturgesetze sind unabhängig vom Beobachter formulierbar. Im Rahmen der von einigen der Projektmitarbeitern mitbegründeten Forschungsgruppe DiANA (Differential Algebras and Nonlinear Analysis, http://www.mat.univie.ac.at/~diana) konnte die mathematische Methode nun auf ein Niveau gebracht werden, wo alle Resultate in einem sehr präzisen Sinn unabhängig vom Beobachter - mathematischer: unabhängig vom Koordinatensystem - sind. Es wurde also eine geometrische Theorie nichtlinearer verallgemeinerter Funktionen entwickelt, die wiederum eine Vielzahl weiterer Anwendungen in einem geometrischen Kontext ermöglicht.

Im Rahmen des Projekts konnten damit insbesondere Beiträge zur distributionellen Beschreibung schwarzer Löcher geleistet und weitere konkrete Problemstellungen in der Allgemeinen Relativitätstheorie gelöst werden. Es ist also nicht bei einem ersten Brückenschlag zwischen der physikalischen Theorie und der mathematischen Methode geblieben; vielmehr konnte im interdisziplinären Spannungsfeld höchst erfolgreich anwendungsorientierte und anwendungsfähige Grundlagenforschung betrieben werden.