1.2 Metriken

Um die Fehler, die wir beim Approximieren machen abschätzen zu können, müssen wir die Distanz zwischen wahren und approximierten Punkt messen. Wir fassen die wesentlichen Eigenschaften der Distanzfunktion nun zusammen, um unabhängiger davon zu werden, welche Objekte wir vergleichen, wie z.B. reelle Zahlen, komplexe Zahlen, Punkte oder Kurven in der Ebene oder im Raum, etc. .


1.2.1 Definition. Metrik.
Die Abstands- oder auch Distanzfunktion $ d:(x,y)\mapsto d(x,y):=\vert x-y\vert=\sqrt{\sum_k \vert x_k-y_k\vert^2}$, $ d:\mathbb{R}^p\times \mathbb{R}^p\to\mathbb{R}$ oder $ d:\mathbb{C}^p\times \mathbb{C}^p\to\mathbb{R}$ hat folgende Eigenschaften

(d0)
Positiv Definitheit: $ d(x,y)=0\Leftrightarrow x=y$
(d1)
Symmetrie: $ d(x,y)=d(y,x)$
(d2)
Dreiecksungleichung: $ d(x,z)\leq d(x,y)+ d(y,z)$
Allgemeine heißt eine Abbildung $ d:X\times X\to\mathbb{R}$ eine Metrik auf einer Menge $ X$, falls die Eigenschaften (d0), (d1) und (d2) erfüllt sind. Eine Menge $ X$ zusammen mit einer Metrik $ d$ heißt metrischer Raum. Beachte, daß jede Metrik $ d(x,y)\geq 0$ erfüllt, denn $ 0=d(x,x)\leq d(x,y)+d(y,x)=2d(x,y)$.


1.2.2 Beispiele von Metriken.

$ \bullet$
Die euklidische Metrik: Sei $ X\subseteq \mathbb{C}^n$. Dann ist $ d(x,y):=\vert x-y\vert$ eine Metrik auf $ X$ wegen der Dreiecksungleichung für Längen von Vektoren.
$ \bullet$
Die Taxi-Metrik: $ d(x,y):=\sum_k\vert x_k-y_k\vert$ ist ebenfalls eine Metrik auf $ X\subseteq \mathbb{C}^n$.
$ \bullet$
Die Maximums-Metrik: $ d(x,y):=\max\{\vert x_k-y_k\vert:1\leq k\leq n\}$ ist auch eine Metrik auf $ X$.
$ \bullet$
Die Supremums-Metrik: $ d(x,y):=\sup\{\vert x(t)-y(t):t\in T\}$ ist eine Metrik auf der Menge der Funktionen $ x:T\to\mathbb{R}$, welche beschränkt sind, d.h. $ d(x,0)<{\infty}$. Unter dem Supremum $ \sup M$ einer Menge $ M\subseteq \mathbb{R}$ versteht man die kleinste obere Schranke.
$ \bullet$
Die Hamming-Metrik: Es sei $ X$ die Menge der endlichen Folgen in einer Menge $ X$ und sei $ d(x,y)$ die Anzahl der Stellen an welchen sich $ x=(x_1,\dots,x_n)$ von $ y=(y_1,\dots,y_m)$ unterscheidet.


1.2.3 Definition. Bälle.
Es sei $ d$ eine Metrik auf einer Menge $ X$, $ x_0\in X$ und $ r>0$. Dann heißt die Menge $ U_r(x_0):=\{x\in X:d(x,x_0)<r\}$ der offene Ball um $ x_0$ mit Radius $ r$ oder auch $ r$-Umgebung. Ebenso heißt die Menge $ B_r(x_0):=\{x\in X:d(x,x_0)\leq r\}$ der abgeschlossene Ball um $ x_0$ mit Radius $ r$. In obigen Beispielen mit $ n=3$ sind dies

$ \bullet$
Eine Kugel
$ \bullet$
Ein Oktaeder
$ \bullet$
Ein Würfel
\bgroup\color{demo}\includegraphics[]{pic-003}\egroup


1.2.4 Definition. Beschränkt.
Eine Teilmenge $ M\subseteq X$ eines metrischen Raumes heißt beschränkt, wenn ihr Durchmesser $ d(M):=\sup\{d(x,y):x,y\in M\}$ endlich ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn sie in einem Ball mit hinreichend großen Radius enthalten ist, denn:
( $ \Leftarrow$) $ M\subseteq B_r(x_0)$ $ \Rightarrow$ $ \forall x,y\in M$: $ d(x,y)\leq
d(x,x_0)+d(x_0,y)\leq 2r$ $ \Rightarrow$ $ d(M)\leq 2r$.

( $ \Rightarrow$) Es sei $ d(M)<{\infty}$ und $ x_0\in M$, dann ist $ M\subseteq B_{d(M)}(x_0)$, denn für $ x\in M$ ist $ d(x,x_0)\leq d(M)$.




1.2.5 Proposition. Supremumsprinzip.
Es sei \bgroup\color{proclaim}$ M\subseteq \mathbb{R}$\egroup (nach oben) beschränkt und nicht leer.
Dann existiert das Supremum \bgroup\color{proclaim}$ \sup M$\egroup, die kleinste obere Schranke von \bgroup\color{proclaim}$ M$\egroup.

Umgekehrt heißt die größte untere Schranke von \bgroup\color{proclaim}$ M$\egroup das Infimum \bgroup\color{proclaim}$ \inf(M)$\egroup. Falls \bgroup\color{proclaim}$ M$\egroup nach oben unbeschränkt ist, d.h. keine reelle obere Schranke existiert und höchstens \bgroup\color{proclaim}$ +{\infty}$\egroup als obere Schranke bezeichnet werden kann, dann schreiben wir \bgroup\color{proclaim}$ \sup M:=+{\infty}$\egroup. Für nach unten unbeschränkte Mengen \bgroup\color{proclaim}$ M$\egroup setzen wir analog \bgroup\color{proclaim}$ \inf M:=-{\infty}$\egroup. Falls \bgroup\color{proclaim}$ M=\emptyset$\egroup, so ist jedes \bgroup\color{proclaim}$ r\in\mathbb{R}$\egroup obere und unterer Schranke also setzten wir \bgroup\color{proclaim}$ \inf\emptyset=+{\infty}$\egroup und \bgroup\color{proclaim}$ \sup\emptyset=-{\infty}$\egroup.

Beweis. Es sei \bgroup\color{demo}$ B:=\{b\in\mathbb{R}:\forall x\in M:x\leq b\}$\egroup die Menge der oberen Schranken und \bgroup\color{demo}$ A:=\mathbb{R}\setminus A$\egroup. Da \bgroup\color{demo}$ M$\egroup beschränkt ist, ist \bgroup\color{demo}$ B\ne\emptyset$\egroup, und da \bgroup\color{demo}$ M\ne \emptyset$\egroup ist \bgroup\color{demo}$ A\ne\emptyset$\egroup (Für \bgroup\color{demo}$ x\in M$\egroup ist \bgroup\color{demo}$ \emptyset\ne \{y:y<x\}\subseteq A$\egroup). Es ist \bgroup\color{demo}$ (A,B)$\egroup ein Dedekind'scher Schnitt, denn aus \bgroup\color{demo}$ x>b\in B$\egroup folgt \bgroup\color{demo}$ x\in B$\egroup (Transitivität der Ordnung). Nach dem Schnittaxiom (der Vollständigkeit von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}$\egroup) existiert somit eine Schnittzahl \bgroup\color{demo}$ t$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ a\leq t\leq b$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ a\in A$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b\in B$\egroup. Falls \bgroup\color{demo}$ M\cap B\ne\emptyset$\egroup so ist \bgroup\color{demo}$ x\in M\cap B$\egroup ein maximales Element von \bgroup\color{demo}$ M$\egroup und somit ein minimales Element von \bgroup\color{demo}$ B$\egroup also gleich \bgroup\color{demo}$ \sup M$\egroup. Andernfalls ist \bgroup\color{demo}$ M\subseteq A$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ t$\egroup eine obere Schranke von \bgroup\color{demo}$ M$\egroup also \bgroup\color{demo}$ t\in B$\egroup und somit ist \bgroup\color{demo}$ t$\egroup ein minimales Element von \bgroup\color{demo}$ B$\egroup also gleich \bgroup\color{demo}$ \sup M$\egroup.     []




1.2.6 Folgerung. Satz von Archimedes.
Für jedes \bgroup\color{demo}$ r\in\mathbb{R}$\egroup existiert ein \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ r<n$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup ist unbeschränkt.

Beweis. Andernfalls gäbe es ein \bgroup\color{demo}$ r\in\mathbb{R}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ n\leq r$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup wäre (nach oben) beschränkt. Nach dem Supremumsprinzip 1.2.5 würde \bgroup\color{demo}$ \alpha :=\sup(\mathbb{N})$\egroup existieren und damit gäbe es wegen der Minimalität von \bgroup\color{demo}$ \alpha $\egroup ein \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ n>\alpha -1$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ n+1>\alpha $\egroup, ein Widerspruch dazu, daß \bgroup\color{demo}$ \alpha $\egroup obere Schranke von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup ist.     []




1.2.7 Folgerung. Satz von Eudoxos.
Für jedes \bgroup\color{demo}$ \varepsilon >0$\egroup existiert ein \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ \frac1n<\varepsilon $\egroup.

Beweis. Wende den Satz von Archimedes auf \bgroup\color{demo}$ r:=\frac1{\varepsilon }$\egroup an um ein \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ r<n$\egroup, d.h. mit \bgroup\color{demo}$ \frac1n<\varepsilon $\egroup zu erhalten.     []


1.2.8 Definition. Intervalle.
Unter einen Intervall \bgroup\color{demo}$ I\subseteq \mathbb{R}$\egroup versteht man eine nicht-leere Teilmenge die mit je zwei Elementen \bgroup\color{demo}$ a,b\in I$\egroup auch alle dazwischenliegenden enthält. Jedes Intervall \bgroup\color{demo}$ I$\egroup ist also von der Form \bgroup\color{demo}$ I=\{x\in\mathbb{R}:\alpha <x<\beta \}=:(\alpha ,\beta )$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ I=\{x\in\mathbb{R}:\alpha \leq x<\beta \}=:[\alpha ,\beta )$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ I=\{x\in\mathbb{R}:\alpha <x\leq \beta \}=:(\alpha ,\beta ]$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ I=\{x\in\mathbb{R}:\alpha \leq x\leq\beta \}=[\alpha ,\beta ]$\egroup, wobei \bgroup\color{demo}$ \alpha :=\inf(I)\in \mathbb{R}\cup\{-{\infty}\}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \beta :=\sup(I)\in\mathbb{R}\cup\{+{\infty}\}$\egroup.




1.2.9 Lemma. Charakterisierung von Intervallen.
Eine mindestens 2-elementige Teilmenge \bgroup\color{demo}$ I\subseteq \mathbb{R}$\egroup ist genau dann ein Intervall, wenn jeder Dedekind'sche-Schnitt von \bgroup\color{demo}$ I$\egroup eine Teilungszahl in \bgroup\color{demo}$ I$\egroup besitzt.

Beweis. Sei \bgroup\color{demo}$ I$\egroup ein Intervall und \bgroup\color{demo}$ (A,B)$\egroup ein Dedekind'scher Schnitt von \bgroup\color{demo}$ I$\egroup. Sei \bgroup\color{demo}$ A':=\{x\in \mathbb{R}:\exists a\in A:x\leq a\}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ B':=\{x\in\mathbb{R}:\exists b\in B:x\geq b\}$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ (A',B')$\egroup ein Dedekind'scher Schnitt von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}$\egroup und besitzt somit eine Teilungszahl \bgroup\color{demo}$ t\in\mathbb{R}$\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ a\in A\subseteq I$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b\in B\subseteq I$\egroup ist \bgroup\color{demo}$ a\leq t\leq b$\egroup, also auch \bgroup\color{demo}$ t\in I$\egroup, da \bgroup\color{demo}$ I$\egroup ein Intervall ist.

Sei umgekehrt \bgroup\color{demo}$ I$\egroup eine Teilmenge von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}$\egroup, für die jeder Dedekind'sche Schnitt eine Teilungszahl besitzt. Sei \bgroup\color{demo}$ \alpha :=\inf(I)\in \mathbb{R}\cup\{-{\infty}\}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \beta :=\sup(I)\in\mathbb{R}\cup\{+{\infty}\}$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ I\subseteq [\alpha ,\beta ]$\egroup. Sei \bgroup\color{demo}$ \alpha <t<\beta $\egroup und \bgroup\color{demo}$ A:=\{x\in \mathbb{R}:x<t\}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ B:=\{x\in \mathbb{R}:x\geq t\}$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ (A,B)$\egroup ein Dedekind'scher Schnitt von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}$\egroup und auch von \bgroup\color{demo}$ I$\egroup und \bgroup\color{demo}$ t$\egroup ist seine Teilungszahl und somit nach Voraussetzung in \bgroup\color{demo}$ I$\egroup, d.h. das offene Intervall \bgroup\color{demo}$ (\alpha ,\beta )\subseteq I$\egroup, und somit \bgroup\color{demo}$ I$\egroup ein Intervall.     []

Andreas Kriegl 2001-07-01