4 Die ganzen Zahlen

Descartes nannte die negativen ganzen Zahlen auch ``falsche Zahlen''.


4.1 Konstruktion von $ \mathbb{Z}$.
Um auch für natürliche Zahlen \bgroup\color{demo}$ a<b$\egroup Gleichungen der Form \bgroup\color{demo}$ a=b+x$\egroup zu lösen, benötigen wir ein Inverses (welches wir mit \bgroup\color{demo}$ -n$\egroup bezeichnen) zu jedem \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}\setminus\{0\}$\egroup. Da in jeder Gruppe das neutrale Element invers zu sich selbst ist, ist \bgroup\color{demo}$ -0=0$\egroup. Somit sollte die Menge der ganzen Zahlen durch \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}=\mathbb{N}\cup\{-n:n\geq 1,n\in\mathbb{N}\}$\egroup gegeben sein.

Um die Operationen für \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup ohne Fallunterscheidungen zu definieren, betrachten wir für \bgroup\color{demo}$ a,b\in\mathbb{N}$\egroup ein Symbol \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}$\egroup (die virtuelle Lösung der Gleichung \bgroup\color{demo}$ a=b+x$\egroup). Die Menge \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup sollte auch als Menge \bgroup\color{demo}$ \{x_{a,b}:a,b\in\mathbb{N}\}$\egroup aller Lösungen beschrieben werden können. Wir versuchen nun mit diesen Lösungen \bgroup\color{demo}$ x$\egroup zu rechnen. Natürlich erwarten wir, daß \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ a-b:=a+(-b)$\egroup gegeben ist, wobei \bgroup\color{demo}$ -b$\egroup das (zu findende) Inverse von \bgroup\color{demo}$ b$\egroup ist. Wegen \bgroup\color{demo}$ (b+b')+(x_{a,b}+x_{a',b'})=
(b+x_{a,b})+(b'+x_{a',b'})=a+a'$\egroup sollte \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}+x_{a',b'}=x_{a+a',b+b'}$\egroup sein. Dies sieht man auch wie folgt ein:

$\displaystyle x_{a,b}+x_{a',b'}$ $\displaystyle =a-b+a'-b'=(a+a')+((-b)+(-b)')$    
  $\displaystyle =(a+a')-(b+b')=x_{a+a',b+b'}.$    

Also betrachten wir die Halbgruppe \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2=\mathbb{N}\times \mathbb{N}$\egroup mit der komponentenweisen Addition. Die Abbildung \bgroup\color{demo}$ (a,b)\mapsto x_{a,b}$\egroup sollte surjektiv \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2\to \mathbb{Z}$\egroup sein. Nach Übungsaufgabe (19) existiert eine bijektive Abbildung von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2/{\sim}\to\mathbb{Z}$\egroup, \bgroup\color{demo}$ [(a,b)]_{\sim}\mapsto x_{a,b}$\egroup von der Menge der Äquivalenzklassen bzgl. der Relation \bgroup\color{demo}$ (a,b)\sim (a',b')$\egroup \bgroup\color{demo}$ :\Leftrightarrow$\egroup \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}=x_{a',b'}$\egroup. Wir können also virtuelle Lösungen \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}$\egroup mit Äquivalenzklassen \bgroup\color{demo}$ [(a,b)]_\sim$\egroup von Paaren natürlicher Zahlen identifizieren. Es sollte \bgroup\color{demo}$ (a,b)\sim (c+a,c+b)$\egroup sein, denn aus \bgroup\color{demo}$ b+x_{a,b}=a$\egroup folgt \bgroup\color{demo}$ (c+b)+x_{a,b}=c+(b+x_{a,b})=c+a$\egroup. Also definieren wir \bgroup\color{demo}$ (a,b)\sim (a',b')$\egroup \bgroup\color{demo}$ :\Leftrightarrow$\egroup \bgroup\color{demo}$ a+b'=b+a'$\egroup. Dies entspricht auch der Idee \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}=a-b$\egroup, denn dann ist \bgroup\color{demo}$ x_{a,b}=x_{a',b'}$\egroup genau dann, wenn \bgroup\color{demo}$ a-b=a'-b'$\egroup, also nach Addition von \bgroup\color{demo}$ b+b'$\egroup, wenn \bgroup\color{demo}$ a+b'=a'+b$\egroup ist.

Diese Relation ist mit der Addition verträglich (man sagt \bgroup\color{demo}$ \sim$\egroup ist eine Kongruenzrelation), denn aus \bgroup\color{demo}$ (a,b)\sim (a',b')$\egroup und \bgroup\color{demo}$ (c,d)\sim (c',d')$\egroup folgt \bgroup\color{demo}$ (a+c,b+d)\sim (a'+c',b'+d')$\egroup da

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (a+c)+(b'+d')=(a+b')+(c+d')=(a'+b)+(c'+d)=(a'+c')+(b+d).
$\egroup

Folglich können wir Äquivalenzklassen \bgroup\color{demo}$ [(a,b)]_{\sim}$\egroup addieren, indem wir ihre Repräsentanten (=Elemente) addieren.

\bgroup\color{demo}$\displaystyle [(a,b)]_{\sim} + [(c,d)]_{\sim} := [(a+c,b+d)]_{\sim}.
$\egroup

Somit erhalten wir eine kommutative Halbgruppe \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2/{\sim}$\egroup mit neutralem Element \bgroup\color{demo}$ 0:=[(0,0)]_{\sim}$\egroup. Für jedes \bgroup\color{demo}$ x=[(a,b)]_{\sim}\in \mathbb{Z}$\egroup existiert ein Inverses \bgroup\color{demo}$ -x:=[(b,a)]_{\sim}$\egroup, denn \bgroup\color{demo}$ x+(-x)=[(a,b)]_{\sim}+[(b,a)]_{\sim}=[(a+b,b+a)]_{\sim}=[(0,0)]_{\sim}$\egroup. Also ist \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2/{\sim}$\egroup sogar eine Gruppe, die wir mit gutem Recht als \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup bezeichnen könnten. Allerdings ist \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup keine Teilmenge von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup sondern nur injektiv in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup vermöge \bgroup\color{demo}$ n\mapsto [(n,0)]_{\sim}$\egroup eingebettet. Um \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup wirklich als Teilmenge zu erhalten, könnte man noch die Klassen \bgroup\color{demo}$ [(n,0)]_{\sim}$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ n$\egroup in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup ersetzen.

Die Multiplikation auf \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}$\egroup erweitert sich ebenfalls zu einer Operation auf \bgroup\color{demo}$ \mathbb{N}^2$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ (a,b)\cdot (a',b'):=(a\cdot a'+b\cdot b',a\cdot
b'+a'\cdot b)$\egroup. Idee dabei ist \bgroup\color{demo}$ (a-b)\cdot (a'-b')=(aa'+bb')-(ab'+a'b)$\egroup. Auch diese Operation ist mit \bgroup\color{demo}$ \sim$\egroup verträglich, denn aus \bgroup\color{demo}$ (a,b)\sim (a',b')$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ a+b'=a'+b$\egroup, folgt \bgroup\color{demo}$ ac+bd+a'd+b'c=(a+b')c+(a'+b)d=(a'+b)c+(a+b')d=ad+bc+a'c+b'd$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ (a,b)\cdot (c,d)\sim (a',b')\cdot (c,d)$\egroup. Also ist auch \bgroup\color{demo}$ (\mathbb{Z},\cdot)$\egroup eine kommutative Halbgruppe mit \bgroup\color{demo}$ 1=[(1,0)]_{\sim}$\egroup. Weiters gilt das distributiv-Gesetz, d.h. \bgroup\color{demo}$ (\mathbb{Z},+,\cdot)$\egroup ist ein kommutativer Ring mit \bgroup\color{demo}$ 1$\egroup.

Allerdings ist \bgroup\color{demo}$ (\mathbb{Z},+,\cdot)$\egroup kein Körper den außer \bgroup\color{demo}$ \pm 1$\egroup hat kein einziges Element \bgroup\color{demo}$ x\in\mathbb{Z}$\egroup ein multiplikatives Inverses. Trotzdem ist \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup ein Integritätsbereich, d.h. es ist ein kommutativer Ring mit 1, der nullteilerfrei ist.


4.2 Unendliche Zifferndarstellung negativer ganzer Zahlen.
Wendet man das übliche Verfahren zur Berechnung der Differenz \bgroup\color{demo}$ x-y$\egroup zweier Zahlen auch im Falle \bgroup\color{demo}$ x<y$\egroup an so erhält man z.B. für Dezimalzahlen \bgroup\color{demo}$ 123-321=-198$\egroup in der Binärdarstellung:

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \begin{array}{cccccccccccccccccc}
& & & & & & ...
...0&0&0&0&0&1&\\
\hline
\dots&1&1&1&1&1&1&0&0&1&1&1&0&1&0&\\
\end{array}$\egroup

insbesonders ergibt \bgroup\color{demo}$ 0-321$\egroup

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \begin{array}{cccccccccccccccccc}
& & & & & & ...
...0&0&0&0&0&1&\\
\hline
\dots&1&1&1&1&1&0&1&0&1&1&1&1&1&1&\\
\end{array}$\egroup

Diese Folgen sind nach links durch unendlich viele 1'er zu ergänzen. Die unendliche Binärzahlentwicklung einer negativen ganzen Zahl \bgroup\color{demo}$ -x$\egroup erhalten wir also dadurch, daß wir in der Binärzahlentwicklung von \bgroup\color{demo}$ x-1$\egroup an allen Stellen (auch bei den führenden Nullen) 1 und 0 austauschen, oder bei gleicher Wirkung alle Stellen von \bgroup\color{demo}$ x$\egroup komplementieren und danach 1 dazuzählen. Der Vorteil dieser Darstellung ist, daß man bei der Addition, Subtraktion und Multiplikation keine Fallunterscheidungen mehr machen muß und Subtraktionen \bgroup\color{demo}$ x-y$\egroup wirklich als Addition \bgroup\color{demo}$ x+(-y)$\egroup berechnet werden können. Der Nachteil, daß man dafür unendlich viele Schritte ausführen muß, verschwindet am Computer, denn da haben Zahlen ohnehin üblicherweise nur eine fixe Maximallänge (wie z.B. bei Byte's von 8 Binärstellen, bei short von 16, bei int(eger) von 32 und bei long von 64 Binärstellen). Man muß sich allerdings dazumerken, ob man die Zahlen als positiv oder möglicherweise als negative Zahlen auffassen will (also unsigned oder signed Datentypen spezifizieren). Im ``signed'' Fall verwendet der Computer das höchste Bit einer Zahl als Vorzeichen, z.B. bei Bytes:
binär hexadezimal unsigned byte signed byte
00000000 00 0 0
00000001 01 1 1
&vellip#vdots; &vellip#vdots; &vellip#vdots; &vellip#vdots;
01111110 7E 126 126
01111111 7F 127 127
10000000 80 -128 128
10000000 81 -127 129
&vellip#vdots; &vellip#vdots; &vellip#vdots; &vellip#vdots;
11111110 FE -2 254
11111111 FF -1 255


4.3 Restklassenringe.
Auch die Restklassenringe \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_m$\egroup für \bgroup\color{demo}$ 0\ne m\in\mathbb{N}$\egroup sind kommutative Ringe mit 1, wobei die Addition und Multiplikation von Klassen durch

$\displaystyle [x]_m+[y]_m$ $\displaystyle := [x+y]_m$    
$\displaystyle [x]_m\cdot[y]_m$ $\displaystyle := [x\cdot y]_m$    

gegeben sind. Es ist \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_m$\egroup genau dann ein Integritätsbereich, wenn \bgroup\color{demo}$ m$\egroup eine Primzahl ist: Denn aus \bgroup\color{demo}$ m=a\cdot b$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ 1<a,b<m$\egroup folgt, daß \bgroup\color{demo}$ [a]_m\cdot [b]_m=[a\cdot b]_m=[m]_m=0$\egroup ist, obwohl \bgroup\color{demo}$ [a]_m\ne 0\ne [b]_m$\egroup. Ist hingegen \bgroup\color{demo}$ m$\egroup eine Primzahl, so ist \bgroup\color{demo}$ 0=[a]_m\cdot [b]_m=[a\cdot b]_m$\egroup genau dann, wenn \bgroup\color{demo}$ m$\egroup das Produkt \bgroup\color{demo}$ a\cdot b$\egroup teilt, und somit eine Faktor teilt. Dessen Restklasse ist dann aber 0.

Insbesonders sind \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_2$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_3$\egroup Integritätsbereiche (und sogar Körper, wie wir in (4.7) zeigen werden) \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_4$\egroup, \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_{16}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_{256}$\egroup hingegen nicht einmal Integritätsbereiche.


4.4 Definition.
Es sei \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein Integritätsbereich und \bgroup\color{demo}$ a,b\in R$\egroup. Dann heißt \bgroup\color{demo}$ b$\egroup Teiler von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup falls ein \bgroup\color{demo}$ q\in R$\egroup existiert mit \bgroup\color{demo}$ a=b\,q$\egroup. Ein größter gemeinsamer Teiler (kurz ggT) von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup ist ein Element \bgroup\color{demo}$ d\in R$\egroup welches \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup teilt, und welches von jedem anderen gemeinsamen Teiler geteilt wird. Falls 1 ein größter gemeinsamer Teiler ist, so heißen \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup relativ prim.




4.5 Proposition. Charakterisierung des ggT.
Die Menge \bgroup\color{demo}$ \operatorname{ggT}(a,b)$\egroup der größte gemeinsame Teiler zweier Elemente \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup eines Integritätsbereichs erhält man durch Multiplikation eines ggT mit allen Einheiten (d.h. invertierbaren Elementen).

In \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup ist also der ggT nur bis auf ein Vorzeichen \bgroup\color{demo}$ \{\pm1\}$\egroup eindeutig bestimmt.

Beweis. Es sei \bgroup\color{demo}$ d$\egroup ein Teiler von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ u$\egroup eine Einheit. Dann ist auch \bgroup\color{demo}$ u\,d$\egroup ein Teiler von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup: Nach Voraussetzung existiert ein \bgroup\color{demo}$ q\in R$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ a=b\,q$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ a=b\,u^{-1}\,u\,q$\egroup, also wird \bgroup\color{demo}$ a$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ u\,q$\egroup geteilt.

Sei nun \bgroup\color{demo}$ d$\egroup ein ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup und \bgroup\color{demo}$ u$\egroup eine Einheit, dann ist \bgroup\color{demo}$ u\,d$\egroup ebenfalls ein ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup: Nach obigen ist \bgroup\color{demo}$ u\,d$\egroup ein Teiler von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup. Sei \bgroup\color{demo}$ t$\egroup ein weiterer gemeinsamer Teiler von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ t$\egroup ein Teiler von \bgroup\color{demo}$ d$\egroup. Da \bgroup\color{demo}$ u$\egroup invertierbar ist, existiert \bgroup\color{demo}$ u^{-1}$\egroup und ist auch eine Einheit. Somit ist auch \bgroup\color{demo}$ u^{-1}\,t$\egroup ein Teiler von \bgroup\color{demo}$ d$\egroup, d.h. es existiert ein \bgroup\color{demo}$ q\in R$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ d=u^{-1}\,t\,q$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ u\,d=t\,q$\egroup, somit ist \bgroup\color{demo}$ t$\egroup auch Teiler von \bgroup\color{demo}$ u\,d$\egroup.

Sei schließlich \bgroup\color{demo}$ d'$\egroup ein weiterer ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup. Dann teilen sich \bgroup\color{demo}$ d$\egroup und \bgroup\color{demo}$ d'$\egroup gegenseitig, also existieren \bgroup\color{demo}$ u'\in R$\egroup und \bgroup\color{demo}$ u\in R$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ d=d'\,u'$\egroup und \bgroup\color{demo}$ d'=d\,u$\egroup, also ist \bgroup\color{demo}$ d'\,(1-u'\,u)=0$\egroup und da wir Nullteilerfreiheit vorausgesetzt haben (und Teiler nicht 0 sind) ist \bgroup\color{demo}$ 1=u'\,u$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ u$\egroup eine Einheit mit \bgroup\color{demo}$ d'=u\,d$\egroup. 'ed


Euklid'ischer Algorithmus.
Man kann den ggT von \bgroup\color{demo}$ a,b\in\mathbb{Z}$\egroup wie folgt bestimmen (ohne die aufwendige Bestimmung der Primfaktorenzerlegung von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup). Sei dazu O.B.d.A. \bgroup\color{demo}$ a\geq b\geq 0$\egroup. Wir setzen \bgroup\color{demo}$ r_0:=a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ r_1:=b$\egroup und berechnen mittels Division mit Rest rekursiv \bgroup\color{demo}$ q_k$\egroup und \bgroup\color{demo}$ r_k$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ r_{k-1}=q_{k+1}r_{k}+r_{k+1}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ 0\leq r_{k+1}<r_k$\egroup. Nach höchstens \bgroup\color{demo}$ \vert b\vert$\egroup Schritten ist \bgroup\color{demo}$ r_{k+1}=0$\egroup. Das letzte \bgroup\color{demo}$ r_k\ne 0$\egroup ist dann ein ggT \bgroup\color{demo}$ d$\egroup von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup.

$\displaystyle r_0$ $\displaystyle = q_2\,r_1 +r_2$    
$\displaystyle r_1$ $\displaystyle = q_3\,r_2 +r_3$    
  $\displaystyle \;\;\vdots$    
$\displaystyle r_{k-3}$ $\displaystyle =q_{k-1}\,r_{k-2}+r_{k-1}$    
$\displaystyle r_{k-2}$ $\displaystyle =q_{k} \,r_{k-1}+r_{k}$    
$\displaystyle r_{k-1}$ $\displaystyle =q_{k+1}\,r_{k} +0$    

Weiters existieren \bgroup\color{demo}$ a',b'\in\mathbb{Z}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ d=a'\,a+b'\,b$\egroup.

Beweis. Aus der letzten Gleichung der Rekursion folgt, daß \bgroup\color{demo}$ r_{k-1}$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ d:=r_k$\egroup geteilt wird, aus der vorletzen, daß \bgroup\color{demo}$ r_{k-2}$\egroup ebenfalls durch \bgroup\color{demo}$ d$\egroup geteilt wird, und induktiv, daß \bgroup\color{demo}$ b=r_1$\egroup und schließlich auch \bgroup\color{demo}$ a=r_0$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ d$\egroup geteilt wird.

Weiters können wir die Gleichungen rekursiv bei der vorletzten Gleichung beginnend nach oben fortschreitend auflösen und erhalten:

$\displaystyle d=r_k$ $\displaystyle = r_{k-2}-q_k\, r_{k-1}$    
  $\displaystyle = r_{k-2}-q_k\,(r_{k-3}-q_{k-1}\, r_{k-2}) = r_{k-3}\,(-q_k) + r_{k-2}\,(1-q_k\,q_{k-1})$    
  $\displaystyle \vdots$    
  $\displaystyle = a''\, r_1 + b''\,r_2$    
  $\displaystyle = a''\, r_1 + b''\,(r_0-q_2\,r_1) = b''\, r_0 + (a''-b''\,q_2)\,r_1$    
  $\displaystyle = a'\,a + b'\, b$    

mit gewissen \bgroup\color{demo}$ a',b'\in\mathbb{Z}$\egroup.

Falls ein \bgroup\color{demo}$ t\in\mathbb{Z}$\egroup sowohl \bgroup\color{demo}$ a$\egroup als auch \bgroup\color{demo}$ b$\egroup und damit die rechte Seite teilt, so teilt \bgroup\color{demo}$ t$\egroup auch die linke Seite \bgroup\color{demo}$ d$\egroup. Also ist \bgroup\color{demo}$ d$\egroup ein ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b$\egroup.     []


4.6 Beispiel.
Wir bestimmen mittels Euklid'ischen Algorithmus den ggT von \bgroup\color{demo}$ 209$\egroup und \bgroup\color{demo}$ 77$\egroup: Fortgesetze Division mit Rest liefert:

$\displaystyle 209$ $\displaystyle = 77 \cdot 2 + 55,$    
$\displaystyle 77$ $\displaystyle = 55 \cdot 1 + 22,$    
$\displaystyle 55$ $\displaystyle = 22\cdot 2 + 11,$    
$\displaystyle 22$ $\displaystyle = 11\cdot 2 + 0,$    

also ist \bgroup\color{demo}$ ggT(209,77)=\{\pm 11\}$\egroup und

$\displaystyle 11$ $\displaystyle = 55 - 22\cdot 2 = 55 - (77-55\cdot 1)\cdot 2 = 55\cdot 3 -77\cdot 2$    
  $\displaystyle =(209-77\cdot 2)\cdot 3-77\cdot 2 = 209\cdot 3 -77\cdot 8.$    




4.7 Folgerung.
Eine Restklasse \bgroup\color{demo}$ [a]\in \mathbb{Z}_m$\egroup ist genau dann eine Einheit, wenn 1 ein ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ m$\egroup ist, d.h. \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ m$\egroup relativ prim sind.
Somit ist \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_m$\egroup genau dann ein Körper, wenn \bgroup\color{demo}$ m$\egroup eine Primzahl ist.

Beweis. Wegen dem Euklid'ischen Algorithmus ist \bgroup\color{demo}$ 1$\egroup genau dann ein ggT von \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ m$\egroup, wenn \bgroup\color{demo}$ \exists a',m'\in \mathbb{Z}$\egroup: \bgroup\color{demo}$ 1=a'\,a+m'\,m$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ [1]_m=[a']_m\cdot [a]_m$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ [a]_m$\egroup ein (links)-Inverses besitzt.     []


Polynome


3.32 Definition.
Unter einem reellen Polynom \bgroup\color{demo}$ p$\egroup verstehen wir eine Funktion \bgroup\color{demo}$ p:\mathbb{R}\to\mathbb{R}$\egroup, welche durch \bgroup\color{demo}$ p(x):=\sum_{k=0}^n p_k\,x^k$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ n\in\mathbb{N}$\egroup und gewissen Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_k\in\mathbb{R}$\egroup gegeben ist.

Manchmal ist es günstiger Polynome als formal unendliche Summen \bgroup\color{demo}$ \sum_k p_k\, x^k$\egroup zu schreiben, wobei halt in Wirklichkeit fast alle Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_k$\egroup gleich 0 sind, d.h. alle bis auf endlich viele.

Wir können Funktionen \bgroup\color{demo}$ f,g:\mathbb{R}\to\mathbb{R}$\egroup addieren und multiplizieren:

$\displaystyle f+g$ $\displaystyle :x\mapsto f(x)+g(x),$    
$\displaystyle f\cdot g:x\mapsto f(x)\cdot g(x).$    

In diesem Sinn sind Summe und Produkt von Polynomen wieder Polynome, denn

$\displaystyle \Bigl(\sum_k a_k\, x^k\Bigr)+\Bigl(\sum_k b_k\,x^k\Bigr)$ $\displaystyle =\sum_k (a_k+b_k)\,x^k$    
$\displaystyle \Bigl(\sum_i a_i\, x^i\Bigr)\cdot \Bigl(\sum_j b_j\,x^j\Bigr)$ $\displaystyle = \sum_{i,j} a_i\,b_j\,x^{i+j} = \sum_n\Bigl(\sum_{i+j=n} a_i\,b_j\Bigr) x^n$    
  $\displaystyle = \sum_n\Bigl(\sum_{i=0}^n a_i\,b_{n-i}\Bigr) x^n$    

Idee beim vorletzten Gleichungszeichen ist, anstelle in der Tabelle

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \begin{array}{r\vert l\vert l\vert l\vert l\ve...
...3b_2x^5 & a_3b_3x^6 & \hdots \\
\hline
\vdots & & & & & \\
\end{array}$\egroup

nacheinander über alle Zeilen zu summieren, besser über die Diagonalen mit gleicher Summe \bgroup\color{demo}$ i+j=n$\egroup zu summieren.

Da reelle Polynome \bgroup\color{demo}$ p$\egroup eindeutig durch ihre Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_k$\egroup beschrieben werden (siehe (4.13a)), können wir diese auch als die Teilmenge

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \{(p_0,p_1,p_2,\dots)\in \mathbb{R}^\mathbb{N}:p_k=0$\egroup für fast alle \bgroup\color{demo}$\displaystyle k\in\mathbb{N}\}
$\egroup

von \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}^\mathbb{N}$\egroup auffassen.

Allgemeiner sei nun \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein kommutativer Ring mit 1 und \bgroup\color{demo}$ X$\egroup eine Menge. Dann ist auch die Menge \bgroup\color{demo}$ R^X$\egroup aller Abbildungen \bgroup\color{demo}$ X\to R$\egroup ein kommutativer Ring mit 1 vermöge der Operationen:

$\displaystyle f+g$ $\displaystyle :x\mapsto f(x)+g(x)$    
$\displaystyle f\cdot g$ $\displaystyle :x\mapsto f(x)\cdot g(x)$    

Die Menge \bgroup\color{demo}$ \{x\mapsto p_0+p_1\,x+\dots+p_n\,x^n:n\in\mathbb{N},p_0,\dots,p_n\in R\}$\egroup der polynomialen Funktionen bildet einen Teilring mit \bgroup\color{demo}$ 1$\egroup von \bgroup\color{demo}$ R^X$\egroup. Achtung, dieser ist nicht für alle \bgroup\color{demo}$ R$\egroup nullteilerfrei: Für \bgroup\color{demo}$ R=\mathbb{Z}_2$\egroup ist z.B. \bgroup\color{demo}$ 0=x-x^2=x\cdot (1-x)$\egroup. Wir betrachten also besser nur die Koeffizienten und definieren Polynome in \bgroup\color{demo}$ R$\egroup als endliche Folgen \bgroup\color{demo}$ (p_0,p_1,\dots,p_n)$\egroup von Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_0,\dots,p_n\in R$\egroup, die wir uns auch durch 0'en aus \bgroup\color{demo}$ R$\egroup zu einer unendlichen Folge \bgroup\color{demo}$ (p_0,\dots,p_n,0,\dots)$\egroup fortgesetzt denken dürfen. Man definiert Addition und Multiplikation von solchen Polynomen analog zu obigen durch

$\displaystyle (a_0,$ $\displaystyle a_1,\dots,a_n,0,\dots)+(b_0,b_1,\dots,b_m,0,\dots) := (a_0+b_0,a_1+b_1,\dots,0,\dots)$    
$\displaystyle (a_0,$ $\displaystyle a_1,\dots,a_n,0,\dots)\cdot(b_0,b_1,\dots,b_m,0,\dots)$    
  $\displaystyle := (a_0b_0,a_0b_1+a_1b_0,a_0b_2+a_1b_1+a_2b_0,\dots,a_nb_m,0,\dots)$    

Es ist leicht zu zeigen, daß dadurch die Menge der Polynome zu einen kommutativen Ring mit 1 wird (man schreibt üblicherweise \bgroup\color{demo}$ R[x]$\egroup für diesen), und wir werden in (4.9) zeigen, daß dies ein Integritätsbereich ist falls \bgroup\color{demo}$ R$\egroup einer ist.

Jedes Polynom \bgroup\color{demo}$ (a_0,a_1,\dots,a_n)$\egroup können wir natürlich als polynomiale Funktion \bgroup\color{demo}$ R\to R$\egroup vermöge \bgroup\color{demo}$ r\mapsto a_0+a_1\,r+\dots+a_n\,r^n$\egroup auffassen. Dies liefert einen Homomorphismus (d.h. Abbildung, die mit Addition und Multiplikation verträglich ist) \bgroup\color{demo}$ R[x]\to R^R$\egroup, der aber für endliche Ringe \bgroup\color{demo}$ R$\egroup nicht injektiv zu sein braucht. Für \bgroup\color{demo}$ R=\mathbb{Z}_2$\egroup z.B. ist die zum Monom \bgroup\color{demo}$ x\mapsto x^k$\egroup gehörende polynomiale Funktion \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}_2\to\mathbb{Z}_2$\egroup für jedes \bgroup\color{demo}$ k\geq 1$\egroup durch die Identität \bgroup\color{demo}$ \operatorname{id}_{\mathbb{Z}_2}$\egroup gegeben.

Man schreibt statt der Folge \bgroup\color{demo}$ (p_0,p_1,\dots)$\egroup üblicherweise die ``formale Summe'' \bgroup\color{demo}$ \sum_k p_k\, x^k$\egroup damit die Formeln für die Addition und Multiplikation sich durch formale Anwendung des distributiv-Gesetzes ergeben.

Der Grad \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)$\egroup eines Polynoms \bgroup\color{demo}$ p\ne 0$\egroup ist der größte Index \bgroup\color{demo}$ k$\egroup der nicht verschwindenden Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_k$\egroup diese Polynoms, oder wie man auch sagt der Index des führenden Koeffizienten.

Es ist \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(a+b)\leq\max\{\operatorname{grad}(a),\operatorname{grad}(b)\}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(a\cdot b)=\operatorname{grad}(a)+\operatorname{grad}(b)$\egroup falls \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein Integritätsbereich ist. Für das Nullpolynom ergäbe sich daraus \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(0)=\operatorname{grad}(0\cdot b)=\operatorname{grad}(0)+\operatorname{grad}(b)$\egroup für alle Polynome \bgroup\color{demo}$ b\ne 0$\egroup. Diese Gleichung in \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(0)$\egroup ist in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup nicht lösbar, aber \bgroup\color{demo}$ -{\infty}$\egroup erfüllt sie, also setzt man \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(0):=-{\infty}$\egroup.

Die Summanden \bgroup\color{demo}$ p_k\, x^k$\egroup heißen auch Monome vom Grad \bgroup\color{demo}$ k$\egroup.

Man schreibt oft \bgroup\color{demo}$ R_n[x]$\egroup für die Menge der Polynome vom Grad kleiner oder gleich \bgroup\color{demo}$ n$\egroup.




4.8 Lemma.
Ein reelles Polynom \bgroup\color{demo}$ p$\egroup (oder allgemeiner Polynom mit Koeffizienten in einen Körper) besitzt genau dann ein multiplikatives Inverses, d.h. ist eine Einheit, wenn \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)=0$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ p$\egroup konstant aber nicht 0 ist.

Beweis. Sei \bgroup\color{demo}$ p$\egroup eine Einheit, also existiert ein Polynom \bgroup\color{demo}$ q$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ 1=q\cdot p$\egroup und somit ist \bgroup\color{demo}$ 0=\operatorname{grad}(1)=\operatorname{grad}(q)+\operatorname{grad}(p)$\egroup, also ist \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)=0$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ p$\egroup ist konstant.     []




4.9 Folgerung.
Falls \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein Integritätsbereich ist, so ist auch der Ring \bgroup\color{demo}$ R[x]$\egroup der Polynome mit Koeffizienten in \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein solcher.

Beweis. Es seien \bgroup\color{demo}$ p\ne 0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ q\ne 0$\egroup Polynome. Dann ist \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)\geq 0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(q)\geq 0$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p\cdot q)=\operatorname{grad}(p)+\operatorname{grad}(q)\geq 0$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ p\cdot q\ne 0$\egroup.     []


4.10 Bemerkung.
Wie bei ganzen Zahlen, können wir auch bei reellen Polynomen (oder allgemeiner bei Polynomen mit Koeffizienten in einem Körper) die Division mit Rest durchführen: Wir fassen dazu die Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ a_k$\egroup als \bgroup\color{demo}$ k$\egroup-te ``Ziffer'' von rechts gezählt auf. Z.B. ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (6x^4+4x^3+5x^2+x+3)=(2x^2+1)\cdot(3x^2+2x+1)+(-x+2),
$\egroup

denn

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \begin{array}{rrrrrrl}
(& +6x^4 & +4x^3 & +5x^...
...&\pm1x^1& \\
\hline
& & & 0 & -x^1 & +2x^0 & \text{Rest}\\
\end{array}$\egroup

Dies entspricht der Division mit Rest \bgroup\color{demo}$ 64513=201\cdot321 + (-1)2$\egroup. Beachte also, daß bei Polynomen beliebige (auch negative oder rationale oder komplexe) ``Ziffern'' auftreten können.


4.11 Horner-Schema.
Es sei \bgroup\color{demo}$ p$\egroup ein Polynom \bgroup\color{demo}$ p(x):=\sum_{k=0}^n a_k\, x^k$\egroup mit Koeffizienten aus einem Ring \bgroup\color{demo}$ R$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \xi \in R$\egroup. Division durch \bgroup\color{demo}$ x-\xi $\egroup mit Rest liefert ein Polynom \bgroup\color{demo}$ q(x):=\sum_{k=0}^{n-1} b_k\,x^k$\egroup und Rest \bgroup\color{demo}$ r\in R$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ p(x)=q(x)\,(x-\xi )+r$\egroup. Wir versuchen nun eine Formel für Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ b_k$\egroup und Rest \bgroup\color{demo}$ r$\egroup zu finden. Es ist

$\displaystyle \sum_j a_j\,x^j = p(x)$ $\displaystyle = (x-\xi )\,q(x)+r = (x-\xi )\,\sum_j b_j\,x^j+r$    
  $\displaystyle = \sum_j b_j\,x^{j+1} -\sum_j b_j\,\xi \,x^j + r.$    

Koeffizientenvergleich liefert \bgroup\color{demo}$ a_n=b_{n-1}$\egroup, sowie \bgroup\color{demo}$ a_j=b_{j-1}-b_j\,\xi $\egroup für \bgroup\color{demo}$ n>j>0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ a_0=-b_0\,\xi +r$\egroup. Daraus ergibt sich die gewünschte Rekursionsformel \bgroup\color{demo}$ b_{k-1}=a_k+\xi \, b_k$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ b_{n}:=0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b_{-1}:=r$\egroup. Dies nennt man Horner-Schema.

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \begin{array}{r\vert\vert c\vert c\vert c\vert...
... & \dots &
b_0=b_1 \xi +a_1 & b_{-1}=b_0 \xi +a_0 \\
\hline
\end{array}$\egroup

Setzt man in obige Gleichung \bgroup\color{demo}$ \xi $\egroup anstelle von \bgroup\color{demo}$ x$\egroup so erhält man \bgroup\color{demo}$ p(\xi )=0\cdot q(\xi )+r=r$\egroup, also ist der Rest \bgroup\color{demo}$ r=b_{-1}$\egroup der Funktionswert von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup an der Stelle \bgroup\color{demo}$ \xi $\egroup.

Induktive Anwendlung liefert das vollständige Horner-Schema zur Darstellung eines Polynoms \bgroup\color{demo}$ p$\egroup als Linearkombination von Potenzen von \bgroup\color{demo}$ (x-\xi )$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ p(x)=\sum_{k=0}^n c_k\, (x-\xi )^k$\egroup.


4.12 Definition.
Unter einer Nullstelle einer Funktion \bgroup\color{demo}$ f:X\to\mathbb{R}$\egroup, versteht man ein \bgroup\color{demo}$ \xi \in X$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ f(\xi )=0$\egroup. Falls \bgroup\color{demo}$ f$\egroup ein Polynom ist, so spricht man auch von einer Wurzel \bgroup\color{demo}$ \xi $\egroup von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup.




4.13 Proposition.
Es sei \bgroup\color{demo}$ p\in R[x]$\egroup ein Polynom und \bgroup\color{demo}$ \xi \in R$\egroup. Dann gilt:
\bgroup\color{demo}$ p(\xi )=0$\egroup \bgroup\color{demo}$ \Leftrightarrow$\egroup \bgroup\color{demo}$ x-\xi $\egroup teilt \bgroup\color{demo}$ p$\egroup:

Beweis. Da \bgroup\color{demo}$ p(\xi )$\egroup gerade der Rest von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup bei Division durch \bgroup\color{demo}$ x-\xi $\egroup ist, ist dies offensichtlich.     []




4.13a Folgerung. Koeffizientenvergleich.
Es sei \bgroup\color{demo}$ 0\ne p\in R[x]$\egroup ein Polynom vom Grad \bgroup\color{demo}$ n$\egroup und \bgroup\color{demo}$ R$\egroup ein Integritätsbereich. Dann besitzt \bgroup\color{demo}$ p$\egroup höchstens \bgroup\color{demo}$ n$\egroup Nullstellen. Ist also \bgroup\color{demo}$ \sum_{k=0}^n p_k\,x^k=0$\egroup für unendlich viedle (oder zumindestens \bgroup\color{demo}$ n+1$\egroup viele \bgroup\color{demo}$ x\in R$\egroup), dann sind alle Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_k=0$\egroup.

Beweis. Es seien \bgroup\color{demo}$ \xi _1,\dots,\xi _n$\egroup paarweise verschiedene Nullstellen von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup. Nach (4.13) wird \bgroup\color{demo}$ p$\egroup von \bgroup\color{demo}$ x-\xi _1$\egroup geteilt, also existiert ein Polynom \bgroup\color{demo}$ p'$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ p(x)=(x-\xi _1)\,p'(x)$\egroup. Folglich sind \bgroup\color{demo}$ \xi _2,\dots,\xi _n$\egroup auch Nullstellen on \bgroup\color{demo}$ p'$\egroup und mittels Induktion folgt \bgroup\color{demo}$ p(x)=\prod_{i=1}^n (x-\xi _i)\,q(x)$\egroup für ein Polynom \bgroup\color{demo}$ q\ne 0$\egroup. Damit ist \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)=\sum_{i=1}^n 1+\operatorname{grad}(q)\geq n$\egroup.     []




5.19 Proposition.
Es sei \bgroup\color{demo}$ p$\egroup ein Polynom mit Koeffizienten in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{Z}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \frac{r}{s}$\egroup eine rationale Nullstelle von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup mit relativ primen \bgroup\color{demo}$ r$\egroup und \bgroup\color{demo}$ s$\egroup. Dann wird der führende Koeffizient von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ s$\egroup und der 0-te Koeffizient durch \bgroup\color{demo}$ r$\egroup geteilt.

Dies kann dazu verwendet werden die rationalen Nullstellen eines Polynoms durch Probieren zu finden.

Beweis. Es sei also \bgroup\color{demo}$ 0=\sum_{k=0}^n p_k\,(r/s)^k$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ p_n\ne 0$\egroup oder äquivalent \bgroup\color{demo}$ 0=\sum_{k=0}^n p_k\,r^k\,s^{n-k}$\egroup. Alle bis auf den Term für \bgroup\color{demo}$ k=0$\egroup sind durch \bgroup\color{demo}$ r$\egroup teilbar, also auch dieser, d.h. \bgroup\color{demo}$ r$\egroup teilt den niedersten Koeffizienten \bgroup\color{demo}$ p_0$\egroup. Weiters sind alle bis auf den Term für \bgroup\color{demo}$ k=n$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ s$\egroup teilbar, also auch dieser, d.h. \bgroup\color{demo}$ s$\egroup teilt den führenden Koeffizenten \bgroup\color{demo}$ p_n$\egroup.     []




4.14 Proposition. Vieta'scher Wurzelsatz.
Der \bgroup\color{demo}$ k$\egroup-te Koeffizient von \bgroup\color{demo}$ \prod_{j=1}^n (x-\xi _j)$\egroup ist durch \bgroup\color{demo}$ (-1)^{n-k}\,\sigma _{n-k}(\xi _1,\dots,\xi _n)$\egroup gegeben, wobei \bgroup\color{demo}$ \sigma _j$\egroup die \bgroup\color{demo}$ j$\egroup-te elementarsymmetrische Funktion ist.

Im Fall \bgroup\color{demo}$ n=2$\egroup bedeutet dies \bgroup\color{demo}$ (x-\xi _1)\cdot (x-\xi _2)=x^2-x(\xi _1+\xi _2)+\xi _1\,\xi _2$\egroup.

Beweis. Wenn man \bgroup\color{demo}$ \prod_j(x-\xi _j)$\egroup ausmultipliziert erhält man eine Summe von \bgroup\color{demo}$ n$\egroup-fachen Produkten, die dadurch entstehen, daß aus jeder der \bgroup\color{demo}$ n$\egroup Klammern jeweils \bgroup\color{demo}$ x$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ -\xi _j$\egroup gewählt wird. Der Koeffizient von \bgroup\color{demo}$ x^k$\egroup wird also gerade durch solche Auswahlen erhalten, wo genau \bgroup\color{demo}$ k$\egroup-mal \bgroup\color{demo}$ x$\egroup und immer sonst die entsprechenden \bgroup\color{demo}$ -\xi _j$\egroup gewählt werden. Diese Auswahlen werden also genau durch die \bgroup\color{demo}$ n-k$\egroup-elementigen Teilmengen \bgroup\color{demo}$ J$\egroup von \bgroup\color{demo}$ \{\xi _1,\dots,\xi _n\}$\egroup beschrieben und tragen \bgroup\color{demo}$ (-1)^{n-k}\,\prod_{j\in J}\xi _j$\egroup zum Koeffizienten bei.     []


4.15 Euklid'ischer Algorithmus für Polynome.
Wie für ganze Zahlen können wir den Euklid'ische Algorithmus auch dazu verwenden um einen ggT in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}[x]$\egroup zweier Polynome \bgroup\color{demo}$ p_0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ p_1$\egroup zu bestimmen. Wir müssen dazu nur rekursive Division mit Rest ausführen bis wir bei Rest 0 landen. Der letzte Rest davor ist dann ein ggT.

Sei z.B. \bgroup\color{demo}$ p:x\mapsto x^4-1$\egroup und \bgroup\color{demo}$ q:x\mapsto x^3+x$\egroup. Fortgesetze Division mit Rest liefert

$\displaystyle (x^4-1)$ $\displaystyle = (x^3+x)\cdot x+(-x^2-1),$    
$\displaystyle (x^3+x)$ $\displaystyle = (-x^2-1)\cdot (-x) + 0,$    

also ist \bgroup\color{demo}$ -x^2-1$\egroup ein ggT von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup und \bgroup\color{demo}$ q$\egroup und

\bgroup\color{demo}$\displaystyle -x^2-1 = (x^4-1)\cdot 1+(x^3+x)\cdot (-x).
$\egroup


Komposition von Polynomen.
Wenn wir Polynome als Abbildungen \bgroup\color{demo}$ \mathbb{K}\to\mathbb{K}$\egroup auffassen, so können wir diese auch zusammensetzen, und erhalten somit allgemein eine Komposition:

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \Bigl(\sum_{k=0}^n a_k\, x^k\Bigr)
\o\Bigl(\su...
...n a_k \Bigl(\sum_{j=0}^m b_j\, x^j\Bigr)^k
= \sum_{k=0}^{nm} c_k\, x^k,
$\egroup

wobei

$\displaystyle c_0$ $\displaystyle = \sum_{k=0}^n a_k \, b_0^k$    
$\displaystyle c_1$ $\displaystyle = \sum_{k=1}^n a_k \, k\, b_0^{k-1}\, b_1$    
  $\displaystyle \vdots$    

Es gilt \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p\o q)=\operatorname{grad}(p)\cdot\operatorname{grad}(q)$\egroup.


4.16 Bemerkung.
Jenes Polynom minimalen Grades, welches an den Stellen \bgroup\color{demo}$ x_0,\dots,x_n$\egroup die Werte \bgroup\color{demo}$ y_0,\dots,y_n$\egroup hat, heißt Interpolationspolynom und ist durch die Lagrange'sche Interpolationsformel

\bgroup\color{demo}$\displaystyle p(x)=\sum_{j=0}^n y_j \frac{\prod_{i\ne j}(x-x_i)}{\prod_{i\ne j}(x_j-x_i)}
$\egroup

gegeben.

Beweis. Offensichtlich ist

$\displaystyle p(x_k)$ $\displaystyle =\sum_{j=0}^n y_j \,p_j(x_k) = y_k,$    wobei    
$\displaystyle p_j(x)$ $\displaystyle := \frac{\prod_{i\ne j}(x-x_i)}{\prod_{i\ne j}(x_j-x_i)},$    also    
$\displaystyle p_j(x_k)$ $\displaystyle = \left\{\begin{array}{ll} 1&\text{für }k=j\\ 0&\text{sonst.}\end{array}\right.$    

\includegraphics[scale=1]{pic-1042}
    []




4.17 Inklusions-Exklusions-Prinzip.

$\displaystyle \Bigl\vert\bigcup_{i=1}^n A_i\Bigr\vert$ $\displaystyle = \! \sum_{\emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n\}} (-1)^{1+\vert J\vert}\; \Bigl\vert\bigcap_{j\in J} A_j\Bigr\vert$    
$\displaystyle \Bigl\vert\bigcap_{i=1}^n A_i^c\Bigr\vert$ $\displaystyle = \!\sum_{J\subseteq \{1,\dots,n\}} (-1)^{\vert J\vert}\; \Bigl\vert\bigcap_{j\in J} A_j\Bigr\vert,$    
     wobei wir $\displaystyle \bigcap_{j\in\emptyset} A_j:=X$ gesetzt haben.    

Mit \bgroup\color{demo}$ \vert A\vert$\egroup bezeichnen wir die Anzahl der Elemente der Menge \bgroup\color{demo}$ A$\egroup.

\includegraphics[scale=0.7]{pic-1016}

Beweis. Wir zeigen die erste Formel mittels Induktion nach \bgroup\color{demo}$ n$\egroup:
( \bgroup\color{demo}$ n=1$\egroup) ist offensichtlich, denn dann existiert nur ein \bgroup\color{demo}$ \emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n\}$\egroup, nämlich \bgroup\color{demo}$ J=\{1\}$\egroup.
( \bgroup\color{demo}$ n=2$\egroup) Es sind \bgroup\color{demo}$ A\cup B=(A\setminus B)\cup (A\cap B)\cup (B\setminus A)$\egroup sowie \bgroup\color{demo}$ A=(A\setminus B)\cup (A\cap B)$\egroup und \bgroup\color{demo}$ B=(B\setminus A)\cup (A\cap B)$\egroup disjunkte Zerlegungen und somit

$\displaystyle \vert A\cup B\vert$ $\displaystyle =\vert A\setminus B\vert+\vert A\cap B\vert+\vert B\setminus A\ve...
...rt A\vert-\vert A\cap B\vert+\vert A\cap B\vert+\vert B\vert-\vert A\cap B\vert$    
  $\displaystyle =\vert A\vert+\vert B\vert-\vert A\cap B\vert$    

( \bgroup\color{demo}$ n+1$\egroup) Es sei \bgroup\color{demo}$ C:=\bigcup_{i=1}^n A_i$\egroup und \bgroup\color{demo}$ B_i:=A_i\cap A_{n+1}$\egroup. Unter Verwendung der Induktionsannahme für die \bgroup\color{demo}$ A_i$\egroup und die \bgroup\color{demo}$ B_i$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ 1\leq i\leq n$\egroup erhalten wir aus dem Fall \bgroup\color{demo}$ n=2$\egroup:

$\displaystyle \Bigl\vert\bigcup_{i=1}^{n+1}A_i\Bigr\vert$ $\displaystyle = \vert C\cup A_{n+1}\vert = \vert C\vert+\vert A_{n+1}\vert-\vert C\cap A_{n+1}\vert$    
  $\displaystyle = \sum_{\emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n\}}(-1)^{1+\vert J\ver...
... J}A_j\Bigr\vert + \vert A_{n+1}\vert + \Bigl\vert\bigcup_{i=1}^n B_i\Bigr\vert$    
  $\displaystyle = \sum_{\emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n\}}(-1)^{1+\vert J\ver...
...eq \{1,\dots,n\}}(-1)^{1+\vert J\vert} \Bigl\vert\bigcap_{j\in J} B_j\Bigr\vert$    
  $\displaystyle = \!\sum_{\emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n\}}\!(-1)^{1+\vert J...
...\}}\!(-1)^{1+\vert J\vert} \Bigl\vert\bigcap_{j\in J} A_j\cap A_{n+1}\Bigr\vert$    
  $\displaystyle = \sum_{\emptyset\ne J\subseteq \{1,\dots,n+1\}}(-1)^{1+\vert J\vert} \Bigl\vert\bigcap_{j\in J}A_j\Bigr\vert$    

Die zweite Formel folgt mittels de Morgan'schen Gesetzen aus der ersten, denn

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \bigcap_{i=1}^n A_i^c=X\setminus \bigcup_{i=1}^n A_i.{\rm\quad[]}
$\egroup

Andreas Kriegl 2002-02-01