15.3 Grenzwerte

Um von sukzessiv besseren Approximationen \bgroup\color{demo}$ x_0$\egroup, \bgroup\color{demo}$ x_1$\egroup, \bgroup\color{demo}$ x_2$\egroup,... sprechen zu können benötigen wir folgenden Begriff:


15.3.1 Definition. Folge.
Unter einer (unendlichen) Folge in \bgroup\color{demo}$ X$\egroup versteht man eine Abbildung \bgroup\color{demo}$ x:\mathbb{N}\to X$\egroup. Anstelle von \bgroup\color{demo}$ x(n)$\egroup schreibt man auch \bgroup\color{demo}$ x_n$\egroup. Und statt der Folge \bgroup\color{demo}$ x$\egroup spricht man auch von \bgroup\color{demo}$ (x_0,x_1,x_2,\dots)$\egroup oder präziser \bgroup\color{demo}$ (x_n)_{n\in\mathbb{N}}$\egroup oder noch kürzer \bgroup\color{demo}$ (x_n)_n$\egroup oder ganz gewagt \bgroup\color{demo}$ (x_n)$\egroup.

Um nun eine exakte Formulierung dafür zu haben, daß sukzessive Approximationen \bgroup\color{demo}$ x_0$\egroup, \bgroup\color{demo}$ x_1$\egroup, \bgroup\color{demo}$ x_2$\egroup,...einen Punkt \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}$\egroup beliebig gut approximieren, geben wir folgende


15.3.2 Definition. Konvergenz.
Man sagt, daß eine Folge \bgroup\color{demo}$ x$\egroup gegen ein \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}\in X$\egroup konvergiert (symbolisch: \bgroup\color{demo}$ x_n\to x_{\infty}$\egroup für \bgroup\color{demo}$ n\to{\infty}$\egroup), wenn

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \forall \varepsilon >0\exists N\in\mathbb{N}\forall n\geq N:d(x_n,x_{\infty})<\varepsilon ,
$\egroup

d.h. fast alle (i.e. alle bis auf endlich viele) Folgeglieder im offenen \bgroup\color{demo}$ \varepsilon $\egroup-Ball um \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}$\egroup liegen. Falls ein \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}$\egroup existiert, gegen welches die Folge \bgroup\color{demo}$ x$\egroup konvergiert, so heißt \bgroup\color{demo}$ x$\egroup konvergent, andernfalls divergent. Beachte, daß es zu einer gegebenen Folge \bgroup\color{demo}$ x$\egroup nur ein \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}$\egroup geben kann  - der sogenannte Grenzwert oder Limes \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}}x_n$\egroup - gegen welches \bgroup\color{demo}$ x$\egroup konvergiert, denn die Bälle um zwei Punkte \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}\ne x_{\infty}'$\egroup mit Radius kleiner als \bgroup\color{demo}$ d(x_{\infty},x_{\infty}')/2$\egroup sind disjunkt. Beachte weiters, daß wir den offenen Ball äquivalent auch durch den abgeschlossenen Ball ersetzen können, denn \bgroup\color{demo}$ B_s(x_{\infty})\subseteq U_r(x_{\infty})\subseteq B_r(x_{\infty})$\egroup für \bgroup\color{demo}$ s<r$\egroup.

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15.3.3 Beispiel.
Nach dem Satz (6.6) von Eudoxos ist \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}}\frac1n=0$\egroup.

Konvergenz von Folgen \bgroup\color{demo}$ x_n$\egroup in metrischen Räumen wird wegen \bgroup\color{demo}$ x_n\to x_{\infty}$\egroup \bgroup\color{demo}$ \Leftrightarrow$\egroup \bgroup\color{demo}$ d(x_n,x_{\infty})\to 0$\egroup auf die Konvergenz reellen Zahlenfolgen zurückgeführt. Das folgende Lemma zeigt dies auch auf andere Weise.




15.3.4 Lemma. (Koordinatenweise) Konvergenz in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}^p$\egroup.
Es sei \bgroup\color{demo}$ x_n:=(x_n^1,\dots,x_n^p)\in\mathbb{R}^p$\egroup. Dann konvergiert \bgroup\color{demo}$ x_n\to x_{\infty}$\egroup genau dann, wenn für jedes \bgroup\color{demo}$ i$\egroup die \bgroup\color{demo}$ i$\egroup-te Koordinate \bgroup\color{demo}$ x_n^i\to
x_{\infty}^i$\egroup für \bgroup\color{demo}$ n\to{\infty}$\egroup konvergiert .

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Beweis. ( \bgroup\color{demo}$ \Rightarrow$\egroup) offensichtlich, wegen \bgroup\color{demo}$ \vert a^i-b^i\vert\leq \vert a-b\vert$\egroup.

( \bgroup\color{demo}$ \Leftarrow$\egroup) folgt aus

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \vert a-b\vert = \sqrt{\sum_k \vert a^k-b^k\vert^2}
\leq \sqrt{p} \max\{\vert a^k-b^k\vert:1\leq k\leq p\}{\rm\quad[]}
$\egroup




15.3.6 Proposition. Rechenregeln für Limiten reeller Zahlen.
Es konvergiere \bgroup\color{demo}$ x_n\to x_{\infty}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ y_n\to y_{\infty}$\egroup. Dann gilt

$ \bullet$
$ x_n\pm y_n\to x_{\infty}\pm y_{\infty}$.
$ \bullet$
$ x_n\cdot y_n\to x_{\infty}\cdot y_{\infty}$.
$ \bullet$
$ \frac{x_n}{y_n}\to \frac{x_{\infty}}{y_{\infty}}$, falls $ y_{\infty}\ne 0$ ist.

Man kann diese Aussagen auch in Form von Gleichungen wie

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_{n\to{\infty}} (x_n\pm y_n)=\lim_{n\to{\infty}} x_n\pm\lim_{n\to{\infty}} y_n
$\egroup

formulieren. Beachte jedoch, daß dabei die Existenz der rechten Seite nötiger Weise vorausgesetzt wird, wie das Beispiel \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}} (n-n)$\egroup zeigt.

Beweis. Z.B. ist

$\displaystyle \vert x_n\cdot y_n-x_{\infty}\cdot y_{\infty}\vert$ $\displaystyle \leq \vert x_n\cdot y_n-x_{\infty}\cdot y_n\vert+\vert x_{\infty}\cdot y_n-x_{\infty}\cdot y_{\infty}\vert$    
  $\displaystyle \leq \undersetbrace{\leq K/\varepsilon }\to{\vert x_n-x_{\infty}\...
...ace{\leq\vert x_{\infty}\vert/\varepsilon }\to{\vert y_n-y_{\infty}\vert}\to 0,$    

da \bgroup\color{demo}$ y$\egroup beschränkt ist (siehe (15.3.2)) und \bgroup\color{demo}$ x_n\to x_{\infty}$\egroup sowie \bgroup\color{demo}$ y_n\to y_{\infty}$\egroup.

Ebenso ist

$\displaystyle \left\vert\frac{1}{y_n}-\frac{1}{y_{\infty}}\right\vert$ $\displaystyle \leq \frac{\vert y_{\infty}-y_n\vert}{\vert y_n\cdot y_{\infty}\vert}\to 0,$    

da \bgroup\color{demo}$ y_n\to y_{\infty}$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ \vert y_n\cdot y_{\infty}\vert\to \vert y_{\infty}\vert^2\ne 0$\egroup, und somit \bgroup\color{demo}$ \frac1{\vert y_n\cdot y_{\infty}\vert}\leq \frac2{\vert y_{\infty}\vert^2}$\egroup für fast alle \bgroup\color{demo}$ n$\egroup ist.     []

Wir können das vorige Resultat auch wie folgt formulieren:




15.3.7 Folgerung. Raum der konvergenten Folgen.
Es ist der Raum \bgroup\color{demo}$ c:=\{x:\mathbb{N}\to\mathbb{R}:x$\egroup ist konvergent\bgroup\color{demo}$ \}$\egroup ein Vektorraum, ja sogar ein kommutativer Ring bezüglich der komponentenweisen Multiplikation. Die Abbildung \bgroup\color{demo}$ x\mapsto\lim x$\egroup ist ein Ring-Homomorphismus von \bgroup\color{demo}$ c\to\mathbb{R}$\egroup.

Beweis. Daß \bgroup\color{demo}$ c$\egroup ein Vektorraum und Ring ist und die Funktion \bgroup\color{demo}$ \lim:c\to\mathbb{R}$\egroup linear und multiplikativ ist, folgt sofort aus den Rechenregeln für konvergente Folgen.     []


15.3.8 Beispiel.
Aus den Rechenregeln (15.3.6) und dem Satz (15.3.3) folgt \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}}1/n^k=0$\egroup für jedes \bgroup\color{demo}$ 1\leq k\in\mathbb{N}$\egroup.




15.3.9 Lemma. Limiten rationaler Funktionen.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f(n):=\frac{p(n)}{q(n)}$\egroup eine rationale Funktion, d.h. \bgroup\color{demo}$ p$\egroup und \bgroup\color{demo}$ q$\egroup Polynome mit \bgroup\color{demo}$ q\ne 0$\egroup. Dann läßt sich \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}}f(n)$\egroup wie folgt berechnen. Man kürzt Zähler und Nenner durch die höchste auftretende Potenz \bgroup\color{demo}$ n^K$\egroup von \bgroup\color{demo}$ n$\egroup und erhält

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_n f(n)
=\lim_n \frac{\frac{p_0}{n^K}+\dots+\frac{p_K}{1}}{\frac{q_0}{n^K}+\dots+\frac{q_K}{1}}
=\frac{p_K}{q_K},
$\egroup

wobei dies nur dann existiert, wenn \bgroup\color{demo}$ \operatorname{grad}(p)\leq \operatorname{grad}(q)=:K$\egroup ist. Andernfalls siehe (15.3.18).




15.3.10 Proposition. Monotone Konvergenz.
Jede konvergente Folge ist beschränkt.

Umgekehrt ist jede beschränkte monoton wachsende Folge \bgroup\color{proclaim}$ x=(x_n)_{n\in\mathbb{N}}$\egroup reeller Zahlen konvergent und es gilt

\bgroup\color{proclaim}$\displaystyle \sup\{x_n:n\in\mathbb{N}\}=\lim_{n\to{\infty}}x_n.
$\egroup

Klarerweise heißt eine Folge \bgroup\color{proclaim}$ x$\egroup in \bgroup\color{proclaim}$ \mathbb{R}$\egroup monoton wachsend, wenn sie es als Abbildung \bgroup\color{proclaim}$ x:\mathbb{N}\to\mathbb{R}$\egroup ist, d.h. \bgroup\color{proclaim}$ x_k<x_{k'}$\egroup aus \bgroup\color{proclaim}$ k<k'$\egroup folgt.

Beweis. Jede konvergente Folge ist beschränkt, denn es gibt ein \bgroup\color{demo}$ N\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ \vert x_n-x_{\infty}\vert<1$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ n>N$\egroup und somit liegt \bgroup\color{demo}$ x$\egroup im Ball um \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}$\egroup mit Radius \bgroup\color{demo}$ \max\{1,\vert x_0-x_{\infty}\vert,\dots,\vert x_N-x_{\infty}\vert\}$\egroup.

Umgekehrt sei \bgroup\color{demo}$ x$\egroup beschränkt. Dann existiert nach (6.5) \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}:=\sup\{x_n:n\in\mathbb{N}\}$\egroup. Es ist \bgroup\color{demo}$ \lim_{n\to{\infty}} x_n=x_{\infty}$\egroup, denn sei \bgroup\color{demo}$ \varepsilon >0$\egroup, dann ist \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}-\varepsilon $\egroup keine obere Schranke und somit existiert ein \bgroup\color{demo}$ N\in\mathbb{N}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ x_N>x_{\infty}-\varepsilon $\egroup und damit \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}-\varepsilon <x_N\leq x_n\leq x_{\infty}<\times _{\infty}+\varepsilon $\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ n\geq N$\egroup.     []


15.3.11 Beispiel. Limes von $ 1/n^a$.
Es sei \bgroup\color{demo}$ 0<a:=\frac{p}{q}\in\mathbb{Q}$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ \lim_n \frac1{n^a}=0$\egroup.
Offensichtlich ist \bgroup\color{demo}$ n\mapsto \frac1{n^a}$\egroup fallend, denn \bgroup\color{demo}$ n\mapsto n^p$\egroup ist wachsend und somit auch die Umkehrfunktion \bgroup\color{demo}$ n\mapsto n^{1/q}$\egroup von \bgroup\color{demo}$ m\mapsto m^q$\egroup und schlußendlich die Zusammensetzung \bgroup\color{demo}$ n\mapsto n^{p/q}=n^a$\egroup. Schließlich ist \bgroup\color{demo}$ m\mapsto 1/m$\egroup fallend und damit auch \bgroup\color{demo}$ n\mapsto \frac1{n^a}$\egroup. Da \bgroup\color{demo}$ \frac1{n^a}>0$\egroup ist, existiert nach (15.3.10) der Limes \bgroup\color{demo}$ \alpha :=\lim_n \frac1{n^a}\geq 0$\egroup. Somit ist nach (15.3.8) und (15.3.6) \bgroup\color{demo}$ 0=\lim\frac1{n^p}=\lim(\frac1{n^{p/q}})^q=(\lim\frac1{n^a})^q=\alpha ^q$\egroup, d.h \bgroup\color{demo}$ \alpha =0$\egroup.


15.3.12 Beispiel. Limes der harmonischen Reihe.
Wir betrachten die Folge \bgroup\color{demo}$ s_n:=\sum_{k=1}^n \frac1k$\egroup für \bgroup\color{demo}$ n\geq 1$\egroup der Partialsummen der harmonischen Reihe. Diese heißt harmonisch, da \bgroup\color{demo}$ \frac1k$\egroup gerade das harmonische Mittel \bgroup\color{demo}$ 2/(1/a+1/b)$\egroup der beiden benachbarten Terme \bgroup\color{demo}$ a:=\frac1{k-1}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b:=\frac1{k+1}$\egroup ist. Diese Folge ist offensichtlich (streng) monoton wachsend. Sie ist aber unbeschränkt also nicht konvergent, denn für \bgroup\color{demo}$ n=2^m$\egroup erhalten wir

\bgroup\color{demo}$\displaystyle s_n = \sum_{k=1}^{2^m}\frac1{k}
= 1+\sum_{j=1}...
...rac1k
\geq \sum_{j=1}^m (2^{j}-2^{j-1})\frac1{2^j}=\frac{m}2\to{\infty}
$\egroup

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15.3.13 Beispiel. Limes von $ q^n$.
Es sei \bgroup\color{demo}$ q\in\mathbb{R}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ x_n:=q^n$\egroup die geometrische Folge. Der Name kommt daher, daß \bgroup\color{demo}$ x_n$\egroup das (sogenannte) geometrische Mittel \bgroup\color{demo}$ \sqrt{x_{n-1} x_{n+1}}$\egroup der benachbarten Folgeglieder ist.

Falls \bgroup\color{demo}$ q=0$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ q=1$\egroup ist, so ist \bgroup\color{demo}$ x_n=q$\egroup für \bgroup\color{demo}$ n\geq 1$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ \lim_n x_n=q$\egroup. Ist \bgroup\color{demo}$ q=-1$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ x_n=1$\egroup für gerades \bgroup\color{demo}$ n$\egroup und \bgroup\color{demo}$ x_n=-1$\egroup für ungerades \bgroup\color{demo}$ n$\egroup also sind \bgroup\color{demo}$ \pm 1$\egroup zwei Kandidaten für den Grenzwert und \bgroup\color{demo}$ x_n$\egroup ist nicht konvergent. Ist \bgroup\color{demo}$ q>1$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ q^n=(1+(q-1))^n\geq 1+n (q-1)$\egroup nach der Bernoulli-Ungleichung (siehe Proseminar Aufgabe 28) und somit unbeschränkt. Ist \bgroup\color{demo}$ q<-1$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ \vert q^n\vert=\vert q\vert^n$\egroup unbeschränkt und damit auch \bgroup\color{demo}$ q^n$\egroup. Ist \bgroup\color{demo}$ \vert q\vert<1$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ \vert q^n\vert=(\frac1{1/\vert q\vert})^n$\egroup und somit konvergent gegen 0, da nach dem zuvorgesagten \bgroup\color{demo}$ (\frac1{\vert q\vert})^n$\egroup unbeschränkt ist und monoton ist.


15.3.14 Beispiel. Limes von $ \root{n}\of{a}$.
Es sei \bgroup\color{demo}$ x_n:=\root{n}\of{a}$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ a\geq 0$\egroup. Falls \bgroup\color{demo}$ a\in\{0,1\}$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ x_n=a$\egroup und somit gegen \bgroup\color{demo}$ a$\egroup konvergent. Ist \bgroup\color{demo}$ a>1$\egroup, so ist \bgroup\color{demo}$ x_n=:1+y_n$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ y_n>0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ a=x_n^n=(1+y_n)^n\geq 1+n y_n>n y_n$\egroup nach der Bernoulli'schen Ungleichung. Also ist \bgroup\color{demo}$ 0<y_n<\frac{a}{n}$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ \lim_n y_n=0$\egroup und damit \bgroup\color{demo}$ \lim_nx_n=1$\egroup.

Ist \bgroup\color{demo}$ 0<a<1$\egroup so ist nach dem vorigen \bgroup\color{demo}$ \lim_n \root{n}\of{1/a}=1$\egroup und somit auch

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_n \root{n}\of{a}=\lim_n\frac1{\root{n}\of{1/a}}=1.
$\egroup


15.3.15 Beispiel. Limes von $ \root{n}\of{n}$.
Es sei \bgroup\color{demo}$ x_n=\root{n}\of{n}$\egroup. Wieder setzen wir \bgroup\color{demo}$ x_n:=1+y_n$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ y_n>0$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ n=(1+y_n)^n=1+ny_n+\binom{n}{2}y_n^2+\dots\geq \frac{n(n-1)}2 y_n^2$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ 0<y_n\leq\sqrt{2/(n-1)}$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ \lim_n y_n=0$\egroup und damit \bgroup\color{demo}$ \lim_nx_n=1$\egroup.


15.3.17 Definition. Uneigentliche Konvergenz.
Wir wollen nun die Definition von Konvergenz auf \bgroup\color{demo}$ \lim_n x_n=\pm{\infty}$\egroup erweitern. Dazu bilden wir \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}$\egroup mittels Zentralprojektion auf den bei 0 berührenden Einheitshalbkreis und dann weiter mittels Normalprojektion in das Intervall von -1 bis 1 ab. Explizit ist dieses streng monoton wachsende Abbildung durch \bgroup\color{demo}$ f:x\mapsto \frac{x}{\sqrt{1+x^2}}$\egroup gegeben mit Umkehrabbildung \bgroup\color{demo}$ g:y\mapsto \frac{y}{\sqrt{1-y^2}}$\egroup. Es ist nun sinnvoll \bgroup\color{demo}$ f(\pm\infty):=\pm 1$\egroup zu setzen.

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Als neue Metrik \bgroup\color{demo}$ d$\egroup für Punkte \bgroup\color{demo}$ x,y\in\mathbb{R}\cup\{\pm\infty\}$\egroup definieren wir

\bgroup\color{demo}$\displaystyle d(x,y):=\vert f(x)-f(y)\vert.
$\egroup

Dann konvergiert eine Folge \bgroup\color{demo}$ (x_n)$\egroup bezüglich \bgroup\color{demo}$ d$\egroup genau dann gegen \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}\in\mathbb{R}$\egroup, wenn sie es bezüglich der euklidischen Metrik tut. In der Tat, für \bgroup\color{demo}$ x\geq y$\egroup ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle d(x,y)=\frac{x}{\sqrt{1+x^2}}-\frac{y}{\sqrt{1+y^2}}\leq \frac{x-y}{\sqrt{1+y^2}}\leq \vert x-y\vert
$\egroup

und umgekehrt ist \bgroup\color{demo}$ \vert x-y\vert<\varepsilon $\egroup für \bgroup\color{demo}$ d(x,y)=\vert f(x)-f(y)\vert<\varepsilon /(1+(\vert y\vert+\varepsilon )^2)^{3/2}=\varepsilon  f'(\vert y\vert+\varepsilon )$\egroup. Ist schließlich \bgroup\color{demo}$ y=+{\infty}$\egroup, so gilt \bgroup\color{demo}$ d(x,y)=\vert f(x)-1\vert<\varepsilon $\egroup genau dann, wenn \bgroup\color{demo}$ f(x)>1-\varepsilon $\egroup also \bgroup\color{demo}$ x=f(g(x))>g(1-\varepsilon )=\frac{1-\varepsilon }{\sqrt{1-(1-\varepsilon )^2}}=:K$\egroup ist.

Somit haben wir \bgroup\color{demo}$ \lim_n x_n=\pm{\infty}$\egroup einen Sinn geben der auch im Einklang zu unseren Definitionen von \bgroup\color{demo}$ \sup M=\pm{\infty}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \inf M=\pm{\infty}$\egroup steht.




15.3.18 Proposition. Rechenregel für uneigentliche Limiten.
Die Rechenregeln (15.3.6) gelten auch für uneigentliche Limiten, wenn man mit den Grenzwerten \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}\cup\{\pm\infty\}$\egroup wie folgt rechnet.

$ \bullet$
$ p+(+\infty)=+\infty$ für $ -\infty<p\leq+\infty$,
$ \bullet$
$ p+(-\infty)=-\infty$ für $ -\infty\leq p<+\infty$,
$ \bullet$
$ (+\infty)+(-\infty)$ ist undefiniert,
$ \bullet$
$ p\cdot(\pm\infty)=\pm\infty$ für $ 0<p\leq+\infty$,
$ \bullet$
$ p\cdot(\pm\infty)=\mp\infty$ für $ 0>p\geq-\infty$,
$ \bullet$
$ 0\cdot(\pm\infty)$ ist undefiniert,
$ \bullet$
$ p/(\pm\infty)=0$ für $ -\infty<p<+\infty$,
$ \bullet$
$ \pm\infty/p=\pm\infty$ für $ 0<p<+\infty$,
$ \bullet$
$ \pm\infty/p=\mp\infty$ für $ 0>p>-\infty$,
$ \bullet$
$ (\pm\infty)/(\pm\infty)=0$ ist undefiniert.


Uneigentliche Grenzwerte rationaler Funktionen.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f(n):=\frac{p(n)}{q(n)}$\egroup eine rationale Funktion, d.h. \bgroup\color{demo}$ p$\egroup und \bgroup\color{demo}$ q$\egroup Polynome mit \bgroup\color{demo}$ q\ne 0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ K:=\operatorname{grad}(p)>\operatorname{grad}(q)=:L$\egroup. Dann ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_n f(n)
=\lim_n n^{K-L}\cdot \frac{\frac{p...
...n^L}+\dots+\frac{q_L}{1}}
=+{\infty}\cdot \frac{p_K}{q_L}=\pm {\infty},
$\egroup

je nachdem ob \bgroup\color{demo}$ p_K/q_L>0$\egroup oder \bgroup\color{demo}$ p_K/q_L<0$\egroup ist.

Andreas Kriegl 2002-07-01